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Arbeitgeber

Motivationsschreiben im Kreuzfeuer

Hat das Motivationsschreiben ausgedient? Über den Nutzen des Begleitbriefs diskutieren zwei Führungskräfte kontrovers. Wir haben beide Seiten in einem Pro und Contra für Sie beleuchtet.

03. November 2017

Ob das Motivationsschreiben eine Bewerbung aufwertet oder ob der Begleitbrief schlicht unnötig ist, darüber sind sich auch Rekrutierungsexperten uneins. Während für die einen der Lebenslauf ausreicht, um über die Einladung zum Bewerbungsgespräch zu entscheiden, ist für andere die Motivation des Kandidaten das Zünglein an der Waage. In unserem Pro und Contra debattieren Raphael Zahnd, Leiter Brand Management & Innovation bei Careerplus, und Claudia Sebald, Leitung Content-Beratung & Redaktion bei Infel AG, über Sinn und Unsinn des Motivationsschreibens.  

Claudia Sebald, Leitung Content-Beratung & Redaktion, Infel AG, Zürich

Für den ersten Bewerbungscheck werden meist maximal fünf Minuten investiert, bevor die Dossiers auf dem A-, B- oder C-Häufchen landen. Das ist bei mir nicht anders. Nach kurzer Prüfung des Lebenslaufs und damit quasi den sachdienlichen Hinweisen zu den Qualifikationen und beruflichen Erfahrungen widme ich die restliche Zeit ganz dem Motivationsschreiben. Die Zeugnisse lasse ich (noch) aussen vor. Von diesen halte ich übrigens nicht allzu viel. Bald jeder schreibt, es sei uncodiert, hält sich aber im Text nach wie vor an die üblichen Codierungen wie «stets», «von allen sehr geschätzt» und – ganz beliebt – «zu unserer vollsten Zufriedenheit». Die Folge: Einheitsbrei und geringe Aussagekraft.

Umso wichtiger ist also das Begleitschreiben. Aus meiner Sicht DIE Chance, seine Motivation glaubhaft, fundiert und auf einzigartige Weise darzulegen. Vor allem aber: persönlich zu werden. Und emotional! Ich möchte spüren, was den Kandidaten ausmacht, warum er genau diesen Job unbedingt will, und ganz sicher keine Allgemeinplätze und Floskeln lesen. Auch Wiederholungen von Berufsstationen aus dem Lebenslauf bringen meist keinen Mehrwert und verlängern das Schreiben unnötig. Lieber und gern unkonventionell sein. Gelingt es dem Bewerber, mein Interesse zu wecken, mich zu überzeugen und neugierig zu machen, hat er die Hürde für die erste Einladung meist geschafft. Natürlich hat das auch damit zu tun, dass wir in der Kommunikationsbranche mit der Sprache arbeiten. Wie kann ich Storytelling verkaufen, wenn ich es selbst nicht lebe?

Fazit: Das Motivationsschreiben ist für mich das persönlichste Papier im ganzen Bewerbungsdossier und damit sehr oft das entscheidende Kriterium, warum ich jemanden einlade – oder nicht.

Raphael Zahnd, Leiter Brand Management & Innovation, Careerplus

Der Fachkräftemangel und die zunehmende Digitalisierung verändern den Arbeitsmarkt – und auch den Bewerbungsprozess: Heute bewerben sich Kandidaten spontaner, schneller und mobiler. Oft genügt ein Klick auf einer Karriereseite, eine Verlinkung mit einem Social-Media-Profil oder eine Antwort auf eine Direktansprache. Ein Motivationsschreiben ist hier nicht nur überflüssig, sondern hat auch schlichtweg keinen Platz.

Zudem: Wie oft haben Sie schon ein wirklich gutes Motivationsschreiben gelesen? Ich fast nie. Viele dieser Schreiben wirken bemüht, sehr langfädig oder strotzen vor Eigenlob. Motivation in einem schematisierten Brief glaubhaft zu vermitteln, gelingt den wenigsten Bewerbern. Das zeugt aber nicht automatisch von mangelnder Motivation. Und lässt meiner Meinung nach erst recht keine Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zu. Sondern nur darauf, dass eine Person weniger gut Motivationsschreiben verfassen kann. Darum wende ich mich lieber dem Lebenslauf oder dem Social-Media-Profil des Kandidaten zu. Hier erkenne ich sofort, ob die Qualifikationen auf die ausgeschriebene Stelle passen. Die Motivation und die Persönlichkeit des Kandidaten hole ich dann dort ab, wo ich sie nicht aus einem A4-Blatt herausinterpretieren muss: in einem Telefoninterview oder einem strukturierten Erstgespräch.

Fazit: Ich finde Motivationsschreiben nicht mehr zeitgemäss. Die Qualifikation und Motivation eines Bewerbers evaluiere ich viel einfacher und effektiver über den Lebenslauf oder in einem persönlichen Gespräch.